
Das Internet ist der Jobmotor der Zukunft.
Hintergrundinformationen zur These „Das Internet ist der Jobmotor der Zukunft“.
Berufswelt im Wandel
Die Berufswelt befindet sich in einem stetigen Wandel. Betrachtet man die Frage, wie sich der Arbeitsmarkt in Zukunft verändert, so muss vor allem darauf geschaut werden, wo Arbeitsplätze entstehen und an welchen Stellen sie abgebaut werden. In der Volkswirtschaftslehre ist hierzu das Drei-Sektoren-Modell gängig. In wenig entwickelten Volkswirtschaften findet der Großteil der Wertschöpfung, also der Herkunft des Wohlstands einer Nation, im Agrarsektor statt. Dementsprechend viel Arbeitskraft wird in diesem Bereich auch benötigt. Im Zuge der wirtschaftlichen Modernisierung eines Landes findet als erster Schritt eine Industrialisierung statt, also eine Abwanderung von Arbeitskraft aus dem Agrar- in den industriellen Sektor. Europaweit liegen die großen Industrialisierungswellen bereits länger hinter uns, in Deutschland löste die Industrie um das Jahr 1900 die Landwirtschaft als wichtigsten Bereich ab, im Jahr 1970 „überholte“ schließlich der Dienstleistungssektor. Dienstleistungen bezeichnen Güter, die nicht direkt physisch greifbar sind – die Gage für eine musikalische Darbietung fallen hier beispielsweise ebenso darunter wie das Überprüfen einer Stromleitung. Die Fertigung von Produkten verspricht in der heutigen Moderne also geringeren Wohlstand – und verlagert sich deswegen mitsamt der benötigten Arbeitskraft in Schwellen- und Entwicklungsländer. Auch wenn Deutschland europaweit einen vergleichsweise großen industriellen Sektor von 30% der nationalen Wertschöpfung ausweist, so sinkt dennoch der Wohlstand, welcher durch die industrielle Fertigung erzeugt und damit die Arbeitskraft, welche in diesem Bereich benötigt wird.
Internet, Digitalisierung und eine boomende Branche
Die Verbreitung des Internets im privaten Raum seit Anfang der 90er Jahre geht Hand in Hand mit der Entwicklung der „Digitalisierung“. Unter Digitalisierung wird zumeist das Erzeugen, Übermitteln und Speichern von Informationen in digitalen Formaten verstanden, wodurch Informationen unterschiedlicher Herkunft durch IT-Technologien miteinander verknüpft und gemeinsam verarbeitet werden können. Dies führt zu zunehmenden Verwendungsmöglichkeiten von Informationen und damit zu einem schnell wachsenden Wirtschaftszweig, welcher eine entsprechende Nachfrage nach Arbeitskräften auslöst. So schätzt eine Studie des Interessenverbandes der Internetwirtschaft eco das Wachstum an Arbeitsplätzen im Bereich der Internetwirtschaft im hohen einstelligen Bereich ein: Bis 2019 soll demnach die Nachfrage nach Arbeitskräften jährlich im Durchschnitt um 8,1% auf insgesamt 332 000 Stellen deutschlandweit steigen. Dabei ist jedoch noch keine Aussage über die Qualität des wachsenden Arbeitsmarktes getroffen. So warnt der DGB bereits seit längerem vor prekären Arbeitsbedingungen sogenannter „click-worker“, welche sich oft scheinselbstständig zu geringen Löhnen von Auftrag zu Auftrag hangeln.
Diese Betrachtungen beziehen sich jedoch auf die Internetwirtschaft als Branche im engeren Sinn. In welchem Umfang Arbeitsplätze durch Digitalisierung in allen Branchen entstehen, bzw. abgebaut werden, ist schwer einzuschätzen. Eine ausführliche Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) prognostiziert eine leichte Zunahme der gesamten Beschäftigung, legt jedoch ausführlich dar, inwiefern dieses Ergebnis durch viele verschiedene Bedingungen beeinflusst werden kann.
„Aus Politik und Zeitgeschichte“ mit verschiedenen Essays zum Thema Digitalisierung.
Industrie 4.0 und Automatisierung
Es lässt sich jedoch mit Sicherheit prognostizieren, dass der Wandel der Berufswelt einem bestimmten Muster folgt: Manuelle Arbeit, welche vor allem auf das Verrichten von Routinetätigkeiten mit Hand zurückgreift, wird in Zukunft mehr und mehr von Maschinen ausgeführt werden. Diese Entwicklung der „Automatisierung“ ist generell kein neues Phänomen, sondern begleitet die Menschheit seit ihrer Sesshaftwerdung: Wo immer körperliche Arbeit durch Vorrichtungen ersetzt werden konnte, wurde sie eingespart. Auch zu Zeiten der Industrialisierung im 19. Und 20. Jahrhundert wurde körperliche Arbeit in großem Umfang durch Maschinen ersetzt, jedoch wurden im Anschluss Menschen benötigt, welche diese Maschinen steuerten und feingliedrige Schritte ergänzten. Der Grund für eine Neuauflage der Diskussion rund um Automatisierung in den letzten Jahren ist die zunehmende Geschwindigkeit, mit der vor allem die Digitalisierung die Automatisierung vorantreibt. Durch informationstechnische Verarbeitung digitaler Daten ist es nun zunehmend möglich, dass Maschinen untereinander kommunizieren und sich damit gegenseitig steuern („Industrie 4.0“), der Mensch rückt immer mehr in die Rolle dessen, der nurmehr die „Sprache“ für Maschinen erfindet und überwacht, wozu seine eigene körperliche Kraft nicht mehr benötigt wird.
Ausführliche Studie des ZEW zum Einfluss der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt.
Qualifizierung oder Grundeinkommen?
Dadurch fallen vor allem im Agrar- und industriellen Sektor Arbeitsplätze weg, da hier Routinearbeit eine zentrale Rolle spielt. Aber auch der Dienstleistungssektor, welcher tendenziell eher durch kreatives Hervorbingen und kritisches Überprüfen gekennzeichnet ist, ist von der Entwicklung der „Industrie 4.0“ und dem Phänomen der Automatisierung betroffen, wie derzeit vor allem am Rückgang des Einzelhandels zugunsten des (stark automatisierten) Onlinehandels in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
Dennoch greift die Vorstellung, Automatisierung „bedrohe“ Arbeitsplätze, zu kurz. Da ein Unternehmer eine menschliche Arbeitskraft erst dann durch eine Maschine ersetzen wird, wenn diese höhere Produktivität verspricht, wird Automatisierung automatisch auch zu steigendem Wohlstand führen. Roboter nehmen uns also nicht die Existenzgrundlage, sondern vor allem die Notwendigkeit körperlicher Arbeit. Neben diesen automatisierten Tätigkeiten werden Menschen auch in Zukunft für die Arbeitsschritte benötigt, welche automatisierte Produktion und Dienstleistung kritisch überprüfen. Dazu ist jedoch eine höhere Qualifizierung notwendig.
Das Internet sowie die Digitalisierung sorgen also nicht nur für eine Verlagerung vom Agrar- und Industrie- in den Dienstleistungssektor, sondern auch dafür, dass die Anforderung an die Qualifikation der ArbeitnehmerInnen wächst. Die Positionierung zur Frage, ob Digitalisierung Arbeitsplätze kostet oder liefert, hängt also stark damit zusammen, wie optimistisch man gegenüber der Möglichkeit steht, alle von Arbeitslosigkeit betroffenen BürgerInnen entsprechend weiterzubilden. Sollten sich hier über die nächsten Jahrzehnte gesellschaftlich positive Erfahrungen einstellen, so wird Automatisierung Wohlstand fördern, ohne weitere Verteilungsproblematiken nach sich zu ziehen. Verstetigt sich hingegen der in der oben verlinkten ZEW-Studie beobachtete Trend, wonach Digitalisierung und Automatisierung zu einer starken Einkommensungleichheit führt und niedrig qualifizierte Menschen zunehmend in ihrer Existenz gefährdet werden, wird die öffentliche Debatte um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens („BGE“) oder einer anderen Form der Verteilung des durch Maschinen generierten Wohlstands anwachsen.
Verschiedene Szenarien des Wandels der Arbeit im Zuge von Industrie 4.0.
Weiterführende Literatur
Arendt, Hannah: Vita activa oder vom tätigen Leben. München, 1960.
Botthof, Alfons: Zukunft der Arbeit in Industrie 4.0. Berlin, 2015.
Jürgens, Kerstin: Arbeit transformieren! Denkanstöße der Kommission "Arbeit der Zukunft". Bielefeld, 2017.
Als kostenfreie Open-Access-Version verfügbar.
Rifkin, Jeremy: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Frankfurt, 1996.
Schwab, Klaus: Die vierte industrielle Revolution. München, 2016.